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Stolpersteine - Steine gegen das Vergessen

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Moritz und Toni Katz


Für Moritz und Toni Katz geb. Blumenfeld


Das ehemalige Wohnhaus der Familie Katz in der Wettergasse 4 im Jahr 2013. Foto: Wagner.

Die Steine wurden verlegt am 24.08.2013.

HIER WOHNTE
MORITZ KATZ
JG. 1870
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 11.9.1944

HIER WOHNTE
TONI KATZ
GEB. BLUMENFELD
JG. 1876
GEDEMÜTIGT/ENTRECHTET
TOT 24.4.1939


Moritz Katz, Fotos: Yoram Jacobson


Toni Katz, geb. Blumenfeld

Das Video von der Stolpersteinverlegung, von Hans-Magnus Pechel, HMP Film Marburg.

Moritz Katz wurde am 28. Oktober 1870 in Mollenfelde, das heute zu Friedland bei Göttingen gehört, geboren. Seine Eltern sind der Pferdehändler Jacob Moses Katz (1822-1908) aus Mollenfelde und Minna Meyerstein (1831-1900), die aus dem nahegelegenen Bremke stammte. Er hatte fünf ältere Geschwister, zwei Brüder und drei Schwestern, die Mollenfelde alle verließen. Schwester Berta verheiratete Reichenbach, die sechs Jahre älter als Moritz Katz war, wurde 1941 nach Riga deportiert und ermordet. Die Tochter seines Bruders Magnus Katz, Johanna Pfifferling, wurde mit ihrer Familie deportiert und ermordet. An die Familie Pfifferling erinnern in Eisenach Stolpersteine.

In Mollenfelde waren zeitweise 40 Prozent der Bevölkerung jüdisch. 1917 zog jedoch die letzte im Ort verbliebene jüdische Familie von dort fort. 1934 wurden die Grabsteine des jüdischen Friedhofs entfernt, und das Gelände wurde eingeebnet.

Moritz Katz heiratete am 11. Oktober 1901 die aus der Kaufmannsfamilie Blumenfeld stammende Antonie, die Toni genannt wurde. Das Paar hatte zwei Kinder. Sohn Artur Katz, der am 6. September 1902 in Marburg zur Welt kam, und Tochter Minna Margarethe Hildegard Katz, genannt Marga, die am 17. September 1906 ebenfalls in Marburg geboren wurde.

 

Familie Blumenfeld in Marburg

Moses Blumenfeld (1849-1911), der Vater von Toni Blumenfeld, war im 19. Jahrhundert von Momberg nach Marburg gekommen und erfolgreicher Kaufmann in der Bekleidungs- und Handarbeitswarenbranche. Außerdem besaß er verschiedene Immobilien in der Marburger Oberstadt. Daneben war er in der Jüdischen Gemeinde aktiv. 1909 beging er das 25-jährige Jubiläum seiner Tätigkeit als Mohel, das heißt als Beschneider. Die Geschenke, die er erhielt, überführte er in die Mohel Blumenfeld Stiftung, deren Zweck die Ausstattung bedürftiger Bräute sein sollte (Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 29. Oktober 1909).

Moses Blumenfeld war mit Fanny Bacharach (1853-1928) aus Rhina, das heute zu Haunetal gehört, verheiratet. Das Paar hatte drei Kinder: Toni Blumenfeld, die am 8. März 1876 geboren wurde, Hedwig Blumenfeld, geboren am 8. Juli 1877 und Ernst Blumenfeld, geboren am 22. Februar 1889.

Hedwig Blumenfeld heiratete den Bankbeamten Moritz Kaufmann. Sie lebten zeitweise in Paris, wo ihre beiden Kinder Albert und Anna Kaufmann geboren wurden. Die Familie kehrte zu Beginn des Ersten Weltkrieges nach Marburg zurück und wohnte im Steinweg 30. In diesem Haus hatte ab 1924 Bruder Ernst Blumenfeld sein Schuhhaus. Hedwig Kaufmann starb mit 57 Jahren am 5. September 1934 in der Deutschhausklinik. Ihr erheblich älterer Mann über-lebte ihren Tod nur wenige Monate. Der Sohn Albert Kaufmann konnte nach Brasilien flüchten.

Tochter Anna Kaufmann heiratete Julius Leyser, den Miteigentümer des altein-gesessenen Modegeschäfts "E. Baum Wwe." in der Neustadt 27. Bereits 1934 war das bisher so beliebte Geschäft für die Familie Leyser nicht mehr zu führen, da die NS-Boykottmaßnahmen rasch zum finanziellen Ruin führten. Die Familie musste - natürlich weit unter Wert - verkaufen.

Anna und Julius Leyser flüchteten mit ihren beiden in Marburg geborenen Söhnen Ernst (Jahrgang 1930) und Hans (Jahrgang 1932) zunächst nach Köln und von dort weiter nach Holland. Sie wurden deportiert und 1943 in Sobibor ermordet.

Ernst Blumenfeld, der nach dem Tod seines Vaters Moses Blumenfeld 1911 das Herrenmodegeschäft zusammen mit seiner Mutter weitergeführt hatte, war ab 1924 Inhaber des Schuhhauses Mercedes im Steinweg 30. Er starb am 24. April 1935 mit nur 46 Jahren. Seiner Frau Bella geb. Tannenbaum und den drei Kindern Lore, Franz und Paul Blumenfeld gelang im November 1939 die Flucht in die USA.

 

Moritz und Toni Katz

Moritz Katz übernahm das Geschäft Blumenfeld in der Wettergasse 14, das Kurzwaren, Handarbeitszubehör und Baby- und Kinderkleidung führte. Dieses Haus hatte sein Schwiegervater noch 1910 gekauft. Die Familie Katz wohnte zuerst in der Wettergasse 21. 1914 verlegte sie das Geschäft in die Wettergasse 4. Moritz Katz war von 1916 bis 1918 Soldat im Ersten Weltkrieg. Seine Frau Toni Katz musste in dieser Zeit die Geschäfte alleine führen, was sie viel Kraft kostete. Eine Aufgabe kam für sie nicht in Frage, da sie nicht wollte, dass die acht Angestellten des Geschäftes arbeitslos werden sollten.

Nach dem Ersten Weltkrieg verkaufte die Familie das Haus in der Wettergasse 14 und kaufte mit einem Teilhaber das Haus Wettergasse 4.

Moritz Katz wurde nach der Pogromnacht am 10. November 1938 verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt. Das Geschäft wurde durch Erklärung des damaligen Oberbürgermeisters von Marburg, Ernst Scheller, geschlossen. Warenlager und Haus mussten unter Wert verkauft werden.

Toni Katz starb am 24. April 1939 in der Elisabethklinik in der Lahnstraße in Marburg. Ihre Gesundheit hatte durch die Demütigungen, die Entrechtung und den bewusst herbeigeführten finanzielle Ruin stark gelitten.

Ihr Sohn Artur Katz, Doktor der Rechtswissenschaften, heiratete die Tochter des langjährigen Dessauer Rabbiners und anhaltinischen Landesrabbiners Dr. Isidor Walter und seiner Frau Helene geb. Stern. Die Eltern von Edith Katz geb. Walter wurden nach Theresienstadt deportiert und ermordet. In Dessau erinnern vor ihrem letzten freigewählten Wohnsitz Auf dem Sande 9/10, der heutigen Kantorstraße 3, Stolpersteine an sie.

Artur Katz hatte als Rechtsanwalt in Berlin gearbeitet. Ihm und seiner Frau gelang 1933 die Flucht nach Haifa in Palästina. Dort eröffnete er eine Möbel-werkstatt, weil er in seinem erlernten Beruf kein Geld verdienen konnte. Er starb am 22. Oktober 1978.

Marga Katz heiratete am 26. Januar 1938 Friedrich Max, genannt Fritz Jacobson. Sie zogen gleich nach der Eheschließung nach Halberstadt, der Heimatstadt des Mannes. Toni Katz schrieb der Tochter über die Verschleppung des Vaters im November 1938 in das KZ Buchenwald verschlüsselt "Vater ist immer noch verreist".

Auch Fritz Jacobson, der in Halberstadt im Haus seiner Eltern in der Göddenstraße 15 wohnte, wurde nach Buchenwald verschleppt. Sein Vater hatte in Halberstadt eine große Lederhandlung. Bis 1933 war sein Vater Vorsitzender des Deutschen Lederhändler-Verbandes und Vorstandsmitglied des Halberstädter Arbeitgeberverbandes gewesen.

Fritz Jacobson und seine Frau Marga geb. Katz konnten kurz vor Beginn des Krieges 1939 ebenfalls nach Haifa flüchten.

Der Sohn von Marga und Fritz Jacobson, Yoram Jacobson, berichtet, dass zu Hause deutsch gesprochen worden sei. Sein Vater habe hervorragendes Hebräisch gekonnt, seine Mutter aber hätte sich mit dieser Sprache nicht anfreunden können. Ein Besuch ihrer Heimat kam für sie aber nach den dort gemachten Erfahrungen nicht in Frage. Fritz Jacobson starb am 24. August 1963 im Alter von 64 Jahren in Haifa, seine Frau Marga geb. Katz am 12. April 2003 hochbetagt ebenfalls in Haifa.

Yoram Jacobson hat ein ambivalentes Verhältnis zu Deutschland und Marburg: Immer spürt er diesen inneren Riss - angezogen zu sein, aber es mitunter nicht ertragen zu können.

Moritz Katz als Soldat im Ersten Weltkrieg. Foto: Yoram Jacobson
 

Moritz Katz bei einem Spaziergang wohl im Botanischen Garten.
Foto: Yoram Jacobson

Toni Katz mit ihrem Schwiegersohn Fritz Jacobson in dem Haus Wettergasse 4. Foto: Yoram Jacobson

Das Schicksal von Moritz Katz

Zurück aus dem KZ Buchenwald musste Moritz Katz nach dem Tod seiner Frau Anfang November 1939 in das Ghettohaus Heusingerstraße 1 zu dem Ehepaar Pfifferling, am 5. September 1940 in das Haus Untergasse 17, der ehemaligen Metzgerei Katz ziehen. Ab 7. Juli 1942 wohnte er bei der Familie Spier in der Moltkestraße 11, heute Stresemannstraße.

Zweimal wurde er wegen des Verstoßes gegen die Kennkartenpflicht zu 50 RM Geldstrafe beziehungsweise 10 Tagen Gefängnis verurteilt.

Am 6. September 1942 wurde er nach Theresienstadt deportiert. Dort starb er am 11. September 1944 kurz vor seinem 74. Geburtstag. Auf Grund der in Theresienstadt bewusst herbeigeführten katastrophalen Lebensverhältnisse nennen wir es Ermordung.

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