Geschichtswerkstatt Marburg e.V. Forschung für Regional- und Alltagsgeschichte
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Erinnerung an den 25. März 1920Morde von Mechterstädt bewegen Marburg bis heuteArtikel in der "Marburger Neuen Zeitung" vom 28.03.2004, von Barbara Wagner, Mitglied der Marburger Geschichtswerkstatt e. V.
Marburg. (wgn). Bestimmte Ereignisse für das kollektive Gedächtnis bewahren - das hat sich die Marburger Geschichtswerkstatt zur Aufgabe gemacht. Für Walter Bernsdorff, den neuen Vorsitzenden, gehört der 25. März 1920 zu einem solchen erinnerungswürdigen Datum. Zusammen mit dem Allgemeinen Studierenden Ausschuss (ASTA) der Philipps-Universität lud er daher zu einem Vortrag ein, der über die Geschehnisse an diesem Tag informierte. Am frühen Morgen dieses Tages geschah in Thüringen an der Straße, die aus Mechterstädt herausführt, eine grausige Bluttat. 15 Arbeiter aus dem kleinen Örtchen Thal wurden hier von Marburger Studenten getötet. Die Referentin Adelheid Schulze aus Thal berichtete über das Geschehen, dessen Umstände bis heute nicht geklärt sind. Im Zuge des von "Rechts" organisierten Kapp-Putsches und der daraus entstandenen Gegenwehr der Arbeiterschaft, war damals ein freiwilliges Studentencorps aus Marburg als Handlanger der Reichswehr nach Thüringen geschickt worden. Die Jura- und Medizinstudenten, die in Verbindungen organisiert waren, töteten die verhafteten Arbeiter, von denen die meisten nicht politisch aktiv waren. Warum es zu den Morden kam, ist nicht bekannt. Die Täter wurden später in zwei Gerichtsverfahren freigesprochen. In der Weimarer Zeit war die Tat noch als unvorstellbares Unrecht empfunden worden. Eine Gedenktafel machte ganz offen die "Marburger Studenten" für die Morde verantwortlich. In der NS-Zeit gab es jedoch einen Sinneswandel. Nicht zuletzt auf Druck der Marburger Universität wurde die Tafel abgeändert. Die Opfer hatten danach ihr Leben ganz allgemein "in den blutigen Wirren der Nachkriegszeit" verloren. Das DDR-Regime änderte die Inschrift in den sechziger Jahren erneut und machte den 25. März zu einem Gedenktag mit einer verordneten Feierstunde, an der Schüler, Kampfbrigaden und später sogar die Soldaten der Nationalen Volksarmee teilnehmen mussten. "Den Angehörigen der Opfer ist das peinlich gewesen. Sie blieben den Feierlichkeiten fern", erzählte Adelheid Schulze. Man habe die Schuld für die Morde bei sich selbst gesucht. Dabei besagt ein Gerücht, dass es Namenslisten von den in Haft zu nehmenden gegeben habe, die man den einrückenden Studenten überreicht hätte. In Thal habe das Interesse nach über 40 Jahren erzwungenen Gedenkens mittlerweile nachgelassen, so die Referentin zum Schluss ihres Vortrages. Die fast 80 Zuhörer machten jedoch durch zahlreiche Fragen deutlich, dass die unbestraft gebliebenen Morde von Mechterstädt in Marburg noch nicht als Fußnote der Geschichte akzeptiert sind.
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