Geschichtswerkstatt Marburg e.V. Forschung für Regional- und Alltagsgeschichte
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Gedenken an die Deportation der Jüdinnen und Juden am 6. September 1942 aus Marburg und dem Landkreis über Kassel nach TheresienstadtIn diesem Jahr fand der Gedenktag am Donnerstag, 5. September, statt, weil am Freitagabend des 6. September Shabbat begann. Gedenkveranstaltung am 05.09.2024, Foto: Wagner Der 9. September bleibt ein ganz besonderer Gedenktag in Marburg, der durch die Geschichtswerkstatt Marburg e. V. im Jahr 2002 etabliert wurde. Das Gedenken steht ganz in der Tradition unserer Gründungsmitglieder Barbara Händler-Lachmann und Ulrich Schütt, die mit dem Buch "unbekannt verzogen" oder "weggemacht" bereits in den 1980er und 1990er Jahren die Erinnerung an die jüdischen Nachbarn in den Fokus rückten. Am 9. September 1942 wurden die Jüdinnen und Juden, die noch in Marburg und dem Landkreis Marburg lebten, auf den Hauptbahnhof in Marburg gezwungen. Die NS-Bürokratie gab die Anweisung in den Meldeunterlagen nicht den Zielort – also Theresienstadt – oder "Evakuiert" anzugeben, sondern "Unbekannt verzogen" bzw. "Ausgewandert". Festgelegt wurde von den Bürokraten außerdem, dass die zu Deportierenden "einen Koffer oder Rucksack, vollständige Bekleidung (ordentliches Schuhwerk), Bettzeug mit Decke, Essgeschirr (Teller oder Topf) mit Löffel, Mundvorrat für drei Tage" mitzunehmen hatten. "Ausgegrenzt, deportiert, ermordet" – die Deportation war vom NS-Grundsatz mit der Ermordung gekoppelt, an dieses Schicksal der jüdischen Menschen gedachten über 70 Besucherinnen und Besucher an diesem 5. September 2024. Vor dem Wissen über diese Ungeheuerlichkeiten ist es fast zwangsläufig, dass Begriffe der heutigen Zeit wie "Remigration" oder der Begriff "Abschiebung" von vermeidlich Fremden, der von den Neuen Rechten als Allheilmittel und "Kampfbegriff" zelebriert wird, den Menschen, die sich mit deutscher Geschichte beschäftigt haben, kalte Schauer über den Rücken laufen lassen. Alle Rednerinnen und Redner der Gedenkstunde standen daher unter dem Schock der Erfolge der AfD in ostdeutschen Bundesländern. Denn gerade diese Gedenkstunde zeigt durch das Verlesen der Namen und Lebensdaten der Deportierten: Am Ende ausgrenzender Politik steht das Leiden des Individuums. Und dass wir alle Menschen einer Welt mit denselben Rechten sind, machte besonders Asmah El-Shabassy von der Marburger Islamischen Gemeinde als Rednerin deutlich. Auch Dr. Burkhard Freiherr von Dörnberg, Dekan vom Evangelischen Kirchenkreis Marburg und der Marburger Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies fanden deutliche und eindringliche Worte für Toleranz und ein respektvolles Miteinander. Die blista (Deutsche Blindenstudienanstalt)-Schülerin Romy Schmidt und der blista-Schüler Antonin Bau lasen die Namen der aus der Stadt Marburg Deportierten. In einem Fall wurden die Information aus der Brailleschrift abgelesen. Das lief nicht immer wie am Schnürchen und ließ der Zuhörerin und dem Zuhörer die Zeit, sich zu gedulden und die Namen in sich aufzunehmen und sich die Menschen dazu vor zustellen. Den musikalischen Rahmen gestalteten Musiker:innen aus verschiedenen Orchestern der Region, Thorsten Schmermund von der Marburger Jüdischen Gemeinde sang die Gebete. Gedenkveranstaltung am 05.09.2024, musikalilscher Rahmen, Foto: Wagner Gedenkveranstaltung am 05.09.2024, Schüler:innen der blista lesen die Namen der Deprotierten, Foto: Wagner
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