Geschichtswerkstatt Marburg e.V. Forschung für Regional- und Alltagsgeschichte
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Stolpersteine - Steine gegen das Vergessen Richard Hartmann
Der Stein wurde verlegt am 06.10.2012.
Richard Hartmann als Jugendlicher. Foto: Familie Vöge Richard Hartmann wurde am 25. Juni 1896 in Marburg geboren. Er war das dritte Kind von Carl Hartmann und Lucie geb. Försterling. Der Vater war Gründer und Inhaber des Kaufhauses C. A. Hartmann, einem Ausstattungsgeschäft speziell für den Haushalt, das er mit großer Energie aufgebaut hatte. Ein Teil der Waren wie Gardinen, Sofas, Textilien wurden in eigenen Werkstätten selbst hergestellt beziehungsweise weiter verarbeitet. Hartmann hatte bis zu 200 Angestellte. Richard Hartmann wuchs in einer großen Familie mit viel Personal auf. Er besuchte bis zu seinem 15. Lebensjahr eine Privatschule und arbeitete dann im väterlichen Betrieb. Er wurde mit Aufgaben in der Buchhaltung betraut. Richard Hartmann war psychisch krank. Er wurde von Professor Wollenberg betreut und musste immer wieder in eine private psychiatrische Klinik eingewiesen werden. Die Krankheit machte den jungen Mann aggressiv und die Familie erinnert sich noch genau an Tätlichkeiten beim Mittagessen. Das war im Februar 1922. Der Geschäftshaushalt mit seinen Anforderungen und den damaligen Vorstellungen von Konventionen ließ es nicht mehr zu, ihn im Haus zu belassen. Er wurde am 8. Februar 1922 in die Landesheilanstalt in Cappel eingewiesen. Dort wohnte er in einem Einzelzimmer und wurde von seiner Familie mehrmals wöchentlich besucht. Sie gingen mit ihm im Park der Anstalt spazieren, nahmen ihn zu Autofahrten mit und brachten ihm Essen, das er sich gewünscht hatte. Die damalige Diagnose: Schizophrenie. In der Anstalt selbst wurden den Patienten Gymnastikstunden oder gemeinsames Basteln angeboten. Richard Hartmann konnte dem aber nichts abgewinnen, er liebte die Musik, die ihm über die Zeit half. Elf Jahre nach seiner Einweisung änderte sich auch für Richard Hartmann das Leben in der Landesheilanstalt. Im Nationalismus herrschte der Gedanke vom "unwerten Leben", das es "auszumerzen" galt. Psychisch Kranke und Behinderte wurden als Kostenfaktor und Belastung für die Gesellschaft eingestuft. Am 28. April 1941 wurde Richard Hartmann mit weiteren rund 80 Patienten von Cappel in die Heilerziehungs- und Pflegeanstalt Scheuern verlegt. Dort wird er wie folgt beschrieben: "... völlig ausgebrannter Schizophrener mit keinerlei Connex zur Umwelt, sitzt stumpf vor sich hinstarrend auf einem Fleck, ist nicht ansprechbar". Von Scheuern wurde Richard Hartmann am 16. Mai 1941 mit dem Bus nach Hadamar gebracht und dort bei der Ankunft vergast. Das Todesdatum im Sterberegister wurde gefälscht um die Angehörigen zu täuschen. Auch die angegebene Todesursache "aktivierte Lungentuberkulose, Blutsturz" war frei erfunden. Text: Ada Vöge |
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