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Stolpersteine - Steine gegen das Vergessen

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Familie Katz


Für Hilda Katz geb. Levi, Mathilde Katz, Walter Katz,
Irma Katz geb. Bähr, Martin Katz, Susanne Katz


Das ehemalige Wohnhaus der Familie Katz im Jahr 2012.
Foto: Wagner

Die Steine wurden verlegt am 06.10.2012.

 

HIER WOHNTE
HILDA KATZ
GEB. LEVI
JG. 1879
DEPORTIERT 1941
GHETTO RIGA
ERMORDET

 

 

HIER WOHNTE
MATHILDE KATZ
JG. 1900
DEPORTIERT 1941
GHETTO RIGA
RIGA JUNGFERNHOF
ERMORDET 8.5.1945

HIER WOHNTE
WALTER KATZ
JG. 1910
FLUCHT 1937
HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
SOBIBOR
ERMORDET 23.7.1943

HIER WOHNTE
IRMA KATZ
GEB. BÄHR
JG. 1910
FLUCHT 1937
HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
SOBIBOR
ERMORDET 23.4.1943

 

HIER WOHNTE
MARTIN KATZ
JG. 1936
FLUCHT 1937
HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
SOBIBOR
ERMORDET 23.4.1943

HIER WOHNTE
SUSANNE KATZ
JG. 1940
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
SOBIBOR
ERMORDET 23.4.1943

Foto aus der Kennkarte von Hilda Katz
geb. Levi aus dem Jahr 1939

Walter Katz. Foto: privat (Berta Levi de Garcia)

Salomon Katz und Hilda Levi hatten am 22. Januar 1909 in Lohra geheiratet. Für Salomon Katz war es die zweite Ehe, in die er seine Tochter Mathilde, die zu diesem Zeitpunkt neun Jahre alt war, mitbrachte. Seine erste Frau Johanna geb. Saalberg war gestorben. Salomon Katz war gelernter Metzger und stammte aus Marköbel, das heute zu Hammersbach gehört. Zuvor hatte er in Ostheim in der Karlstraße, heute Nidderau gelebt, wo seine Tochter geboren wurde.

1909 kam das frisch verheiratete Paar mit der Tochter nach Marburg und Katz eröffnete Am Grün 19 eine Metzgerei. Die jüdischen Metzger boten koscheres Fleisch an, es kauften aber auch Nicht-Juden bei ihnen.

Im Herbst 1913 tauschte Katz sein Geschäft mit dem Metzgermeister Röll in der Untergasse 17. Beide versprachen sich wohl einen Standortvorteil. In einem Fleischerei-Adressbuch werden für Marburg 1925 fünf jüdische Metzger und 32 "christliche" - nicht religiös gebundene - Metzger genannt. Dabei sind jedoch auch Geschäfte genannt, die Metzgereibedarf verkauften.

Familie Katz wohnte über dem Geschäft. Das Haus kauften sie 1914. Sie vermieteten außerdem an Juden und Nicht-Juden. Ab 1916 lebte der Vater der Dichterin Mascha Kaléko, Fischel Engel, für vier Monate in der Untergasse 17 bei Familie Katz. Die Familie Engel war auf Grund von Verfolgungen aus Osteuropa geflohen und lebte einige Zeit in Marburg. 1918 zog die Familie nach Berlin.

Das Vieh wurde im Marburger Schlachthof geschlachtet, im hinteren Teil des Hauses Untergasse 17 befand sich eine Wurstküche. Im Zwischengeschoss wurden die Würste getrocknet. Spezialität war eine Hartwurst für Erbsensuppe, die auch von nicht-jüdischen Kunden gerne gekauft wurde. Am 31.03.1933 wurde das Geschäft geschlossen. Salomon Katz, damals fast 59 Jahre alt, war schwer krank. Er starb im Februar des Jahres 1936 und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Marburg beerdigt. Die Tochter Mathilde Katz blieb ledig.

Der Sohn Walter, der am 5. Oktober 1910 in Marburg geboren wurde, hatte ein Augenleiden und war fast blind. Er versuchte mit Haustürgeschäften seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Mit einem Handwagen hätte er Selterswasser, Därme und Blasen verkauft, so ein Zeitzeuge, der mit seinen Eltern als Mieter im Haus Katz lebte. Er hätte Walter Katz des Öfteren bei seinen Verkaufstouren be-gleitet, da diese für den sehbehinderten Mann schwierig gewesen wären. Der Versuch, ein Rechtsbüro einzurichten, scheiterte. 1932 hatte Walter Katz ein Werbeschild mit dem Text "Für Ihre Gesundheit Hermanns Quelle Bad Vilbel" am Haus angebracht um auf seinen Getränkehandel hinzuweisen. Da er aber bei den Behörden keine Genehmigung dafür eingeholt hatte, erhob die Stadt Marburg eine Strafe von vier Reichsmark. Selbst diese recht geringe Strafe zu zahlen, fiel der Familie Katz schwer, was zeigt, dass ihre wirtschaftliche Situation sehr angespannt war.

Walter Katz heiratete Irma Bähr aus Haaren, am 29. Mai 1936 kam Sohn Martin auf die Welt. Auch für die Witwe Hilda Katz und ihre ledige Stieftochter Mathilde wurde es immer schwieriger den Lebensunterhalt zu sichern. Die Bemühungen des Sohnes Walter Katz durch ein Textilversandgeschäft Geld zu verdienen wurden von der NS-Bürokratie durch ein Verbot verhindert. Die Familie Walter Katz zog Ende 1937 nach Amsterdam, in der Hoffnung, dort bessere Bedingungen vorzufinden. Dort lebten sie in der Valckenierstraat 45 I, wo ihre Tochter Susanne Katz am 29. Februar 1940 geboren wurde. Ohne die Repressalien des NS-Regimes hätte Walter Katz mit seiner Frau und seinem Sohn Marburg sicher nicht verlassen. Daher wird an dieser Stelle an die Familie gedacht. Walter Katz mit Frau Irma und den Kindern Martin und Susanne wurden von Westerbork aus deportiert und im April 1942 in Sobibor ermordet.

Familien aus dem Kreisgebiet wohnten ab Oktober 1940 mit bei den Frauen Hilda und Mathilde Katz. Durch ein Gesetz aus dem Mai 1939 durften Juden von Amts wegen aus "deutschen Wohnstätten" vertrieben werden. Das hatte so genannte Ghettohäuser zur Folge. Die wenigen Häuser, die sich noch in jüdischem Besitz befanden, wurden zur Notunterkunft für die Vertriebenen. Hilda und Mathilde Katz wurden am 8. Dezember 1941 von Marburg aus nach Riga deportiert. Beide wurden ermordet, Mathilde Katz am 8.5.1945 (möglicherweise Datum der Feststellung des Todes). Nach der Deportation der Frauen Katz bezog die Familie Heß aus Wetter das Haus. Sie wohnten dort mit Jettchen Isenberg aus Buchenau. Sie alle wurden mit dem letzten Transport aus Marburg am 6. September 1942 nach Theresienstadt deportiert. Alle Genannten wurden ermordet.

Vom Februar 1939 bis November 1940 hatte sich in der Untergasse 17 die jüdische Schule befunden. Durch die Zerstörung der Synagoge waren keine Räume mehr vorhanden. Lehrer Salomon Pfifferling war nach Buchenwald verschleppt worden. Nach seiner Entlassung aus dem KZ konnte der Schulbetrieb mit acht bis zehn jüdischen Kindern, die noch in Marburg lebten, wieder aufgenommen werden. 1940 erfolgte dann ein Verbot für jüdische Schulen in der Kernstadt und der Unterricht wurde noch für kurze Zeit in dem ehemaligen jüdischen Schüler- und Lehrlings-heim in der Schwanallee 15 abgehalten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich ein Schuhmacher in dem Haus. Ab 1953 war für lange Jahre wieder eine Metzgerei in der Untergasse 17. Auf dem Dachboden hatten die späteren Hausbesitzer eine Torahrolle gefunden. Sie war sicher nach dem Ende des provisorischen Schulbetriebes dort versteckt worden. Sie wurde an die Jüdische Gemeinde in Marburg übergeben.

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