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Stolpersteine - Steine gegen das Vergessen

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Familie Leyser


Für Marcus Leyser, Julius Leyser, Anna Leyser geb. Kaufmann, Ernst Leyser, Hans Leyser.


Die Steine wurden verlegt am 18.10.2018.

HIER WOHNTE
MARCUS LEYSER
JG. 1859
UNFREIWILLIG VERZOGEN
1934 KÖLN
FLUCHT 1938 HOLLAND
TOT 23.6.1940
AMSTERDAM

HIER WOHNTE
JULIUS LEYSER
JG. 1898
UNFREIWILLIG VERZOGEN
1934 KÖLN
FLUCHT 1938 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
SOBIBOR
ERMORDET 23.7.1943

HIER WOHNTE
ANNA LEYSER
GEB. KAUFMANN JG. 1901
UNFREIWILLIG VERZOGEN
1934 KÖLN
FLUCHT 1938 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
SOBIBOR
ERMORDET 23.7.1943

HIER WOHNTE
ERNST LEYSER
JG. 1930
UNFREIWILLIG VERZOGEN
1934 KÖLN
FLUCHT 1938 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
SOBIBOR
ERMORDET 23.7.1943

HIER WOHNTE
HANS LEYSER
JG. 1932
UNFREIWILLIG VERZOGEN
1934 KÖLN
FLUCHT 1938 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
SOBIBOR
ERMORDET 23.7.1943

Das Haus Neustadt 27 im Jahr 1975. Zu dieser Zeit befand sich in dem
Haus noch ein Bekleidungsgeschäft. Im Jahr 2018 ist dort ein Friseurgeschäft.
Foto: Bildarchiv Foto Marburg


Die Marburger Geschäftsfrau Ester Baum geb. Rülf wurde am 4. Februar 1839 in Holzhausen (Rauischholzhausen) geboren. Ihr Ehemann David Baum starb am 28. April 1864 mit 40 Jahren in Wittelsberg. Im Juli 1864 starb ihr Vater Juda Rülf und im Juni 1870 ihre Mutter Rahel Rülf geb. Schlesinger. Den Name Rülf führte die Familie nach dem unweit ihres Hauses vorbeifließenden 'Rülfbach'.

Ester Baum zog möglicherweise nach dem Tod ihrer Mutter 1870 mit ihrer Tochter Lina - geboren am 24. November 1861 in Wittelsberg - in die Stadt, nach Marburg. Zwei weitere Töchter, Veilchen, geboren 1859 und Deborah, geb. 1864, waren als Kinder gestorben.

Bereits in den 1870er Jahren führte Ester Baum in Marburg ein Kurzwaren- und Wäschegeschäft in der Barfüßerstraße 36. Es war ein mutiger Schritt für eine Frau im 19. Jahrhundert, nicht wieder zu heiraten, sonders alleine ein Geschäft aufzumachen. Ihr Schwager, einer der jüngeren Brüder ihres Mannes, Meyer Baum, führte seit 1874 einen Kolonial- und Kurzwarenhandel in dem Haus Am Grün 18 in Marburg.

1889 übernahm Tochter Lina Leyser geb. Baum mit ihrem Ehemann Marcus Leyser das Geschäft ihrer Mutter. Das befand sich zwischenzeitlich in der Barfüßerstraße 48 ehe es um 1900 in das Haus Neustadt 27 verlegt wurde. Das Geschäft entwickelte sich zu einem bedeutenden Modewarenhaus in Marburg.

Lina Baum und Marcus Leyser hatten am 27. November 1888 in Marburg geheiratet. Trauzeugen waren der 74-jährige Kaufmann Simon Oppenheim, der einen Handel für Landesprodukte am Markt 22 führte, und der 55-jährige Onkel Meyer Baum.

Marcus Leyser stammte aus Anholt, ein Ort, der heute zu Isselburg im nordrhein-westfälischen Kreis Borken gehört und nahe der deutsch-niederländischen Grenze liegt. Marcus Leyser stammte aus einer alt eingesessenen Familie. 1846 hatte der Metzger Eleazar in Anholt den Nachnamen Leyser angenommen. Seine Frau ist Sara geb. Liffmann, die am 2. Juli 1887 starb. Die Eltern von Marcus Leyser sind der Metzger Levi Leyser und Sara geb. Rosenberg. Geschwister von Marcus Leyser könnten David Leyser und Klara Koppel geb. Leyser sein. Dies ist jedoch nicht bestätigt.

Marcus und Lina Leyser hatten drei Kinder: Am 5. September 1889 wurde Tochter Sophie geboren,

(St.Amt Marburg Nr. 416/1889 Seite fehlt im Zweitbuch, https://www.lagis-hessen.de, Hessische Geburten-, Ehe-, Sterberegister, Stand 2018)

Sohn David Ernst hatte am 11. August 1891 Geburtstag und der Sohn Julius wurde am 2. Juni 1898 geboren. Die Familie wohnte zu dieser Zeit in der Barfüßer Straße 48.

Sophie Leyser besuchte von 1896 bis 1905 die Elisabethschule. Sie heiratete Simon Eichelberg aus der alteingesessenen Marburger Kaufmannsfamilie. Er hatte Medizin studiert und war Kinderarzt geworden. Das Ehepaar lebte in Mönchengladbach. Beide konnten nach Palästina entkommen. Am 14. August 1940 wurde Simon Eichelberg der Doktortitel der Medizinischen Fakultät Marburg aberkannt.

Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger

Simon Eichelberg starb mit 67 Jahren am 26. August 1967 in Haifa. Auch Ehefrau Sophie Eichelberg geb. Leyser starb in Israel.

David Ernst Leyser war als Soldat im Ersten Weltkrieg im Marine-Infanterie-Regiment Nr. 2. Er starb am 2. November 1918 kurz vor Kriegsende "infolge Krankheit". Er wurde auf dem Friedhof in Marburg beigesetzt.

http://www.denkmalprojekt.org/2009/vl_mir_nr_2_wk2_komp3.htm

Das Grab von Ernst Leyser auf dem jüdischen Friedhof in Marburg. Foto: Andreas Schmidt

Ester Baum war bereits am 12. Juni 1910 gestorben. Tochter Lina Leyser geb. Baum starb am 28. April 1925 mit 63 Jahren in ihrem Haus Neustadt 27.

  

Grab von Esther Baum und ihrer Tochter Lina Leyser geb. Baum auf dem jüdischen Friedhof in Marburg. Fotos: Andreas Schmidt

Julius Leyser trat 1923 in das Geschäft ein, das er gemeinsam mit seinen Eltern führte. Julius Leyser heiratete Anna Kaufmann, die aus der Marburger Kaufmannsfamilie Blumenfeld stammte. Ihre Mutter war Hedwig Blumenfeld, ihr Vater der Bankbeamte Moritz Kaufmann. Das Ehepaar lebte zeitweise in Paris, wo ihre beiden Kinder, Albert und Anna Kaufmann, geboren wurden. Anna Kaufmann kam am 12. Januar 1901 zur Welt. Die Familie kehrte zu Beginn des Ersten Weltkrieges nach Marburg zurück und wohnte im Steinweg 30. Anna Leyser geb. Kaufmann wurde ab 1928 Teilhaberin des Geschäftes E. Baum. Am 7. Februar 1930 und am 18. Juni 1932 wurden die Söhne Ernst und Hans Leyser in Marburg geboren.

Das gut gehende Geschäft geriet nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 sogleich in Schwierigkeiten. Bereits am 21. Mai 1934 wurde es von Leo Blach und Meta Mildenberger übernommen; sie führten es als Firma Blach & Co. weiter.

Die Familie Leyser, das Ehepaar Julius mit den zwei Söhnen und dem Vater Marcus Leyser zog im September 1934 nach Köln, Paulistraße 39.

Später wohnten sie in Mönchengladbach, Schillerstr. 3/5, wohl weil auch Sophie Eichelberg geb. Leyser dort lebte.

Julius Leyser, seine Frau Anna Kaufmann und die Söhne Ernst und Hans waren seit dem 12. März 1938 in Amsterdam gemeldet. Julius Leyser musste in einer Korsettfabrik arbeiten.

Zeitungsannonce aus dem "Het Joodsche Weekblad" vom 8. Januar 1943 zur Bar Mitzwa von Ernst Leyser.

1943 lebte die Familie in der Tintorettostraße 15. Ernst Leyser feierte dort seine Bar-Mitzwa, die Religionsmündigkeit, die Jungen im Judentum mit 13 Jahren erlangen. Am 7. Februar war er 13 Jahre alt geworden.

https://www.joodsmonument.nl/, 2018

Anfang Mai 1943 (6./7. Mai) wurde die Familie von Amsterdam aus ins Lager Vught (Herzogenbusch) deportiert. Von Vught aus wurden sie am 3. Juli 1943 nach Westerbork gebracht und am 20. Juli 1943 nach Sobibor deportiert. Julius, Anna, Ernst und Hans Leyser wurden am 23. Juli 1943 in Sobibor ermordet.

Am 9. Januar 1939 zog auch Marcus Leyser nach Amsterdam. Er musste darum kämpfen, ausreisen zu dürfen und natürlich ging es auch um Geld, das ihm vorenthalten wurde. In Amsterdam zog er zuerst zu seinem Sohn und seiner Familie in die Botticellistraße 4. Ab 29. Januar 1940 war er in der Lomanstraße 51 gemeldet. Am 23. Juni 1940 starb er in Amsterdam.

Der in dem Buch Vergessene Geschäfte verlorene Geschichte von Barbara Händler-Lachmann und Thomas Werther genannte Max Leyser (Leiser) ist nicht mit der Marburger Familie Leyser verwandt und er hatte nie in Marburg gelebt. Er wurde in Kerpen geboren. Seine Eltern sind Salomon Leiser und Emma geb. Hoffmann. Auch ein in diesem Buch genannter Martin Leyser konnte in Marburg nicht ausgemacht werden.

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