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Stolpersteine - Steine gegen das Vergessen

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Minna Rothschild und Pauline Rothschild


Für Minna Rothschild und Pauline Rothschild.
 


Wohnhaus der Familie Rothschild in der Bahnhofstraße 24.
Foto: Wagner, 2011

Die Steine wurden verlegt am 29.11.2011.

HIER WOHNTE
PAULINE ROTHSCHILD
GEB. NUSSBAUM
JG. 1853
FLUCHTVERSUCH 1939
USA
TOT 1.4.1941
MARBURG

HIER WOHNTE
MINNA ROTHSCHILD
JG. 1883
FLUCHTVERSUCH 1939
USA
DEPORTIERT 1941
RIGA
ERMORDET

1926 übernahmen die Schwestern Johanna und Minna Rothschild das Geschäft ihres verstorbenen Vaters Zadok Rothschild. Das Geschäft bestand seit mindestens 1868. Der Laden führte bei der Geschäftsübernahme Strümpfe, Kurz-, Weiß- und Wollwaren. Die Mutter Pauline geb. Nussbaum (sie wurde am 23. April 1853 in Bergen, heute Frankfurt am Main geboren) und ihre Töchter wohnten in der Bahnhofstraße 24. Ihr Bruder Moritz, der am 19. November 1881 in Marburg geboren wurde, machte eine Ausbildung zum Kaufmann und ging 1912 nach Leipzig. Er konnte dem Holocaust sehr wahrscheinlich entfliehen. Der jüngeren Schwester Johanna (geb. am 24. Juni 1888 in Marburg) gelang im Juli 1937 die Flucht in die USA. Die ältere Schwester Minna Rothschild, geboren am 12. Juni 1883 in Marburg, blieb bei ihrer Mutter.


Oberhessische Zeitung vom 14.10.1933

Am 14. Oktober 1933 hatte Käthe Werner die "Geschäftsarisierung" des Kurz-, Weiß- und Wollwarengeschäftes Rothschild in der Bahnhofstraße 13 angezeigt. Seit 1926 hatten die beiden Schwestern Johanna und Minna Rothschild den Laden geführt. Nach dem erzwungenen Verkauf meldete Minna Rothschild in ihrer Wohnung Bahnhofstraße 24 eine Vertretung für Papierwaren und Bastband an. Anfang 1934 kam die Vertretung der Basler Lebensversicherung und im September die Vertretung für Modezeitungen dazu.

Im August 1938 wurden die Papierwaren- und Versicherungsvertretung abgemeldet. Mutter und Tochter hatten keinerlei Einkünfte mehr. Sie versuchten im Jahr 1939 ebenfalls ins Ausland zu entkommen. Pauline Rothschild war zu dieser Zeit bereits 86 Jahre alt. Die Flucht gelang jedoch nicht. Im Mai 1940 mussten sie ihre Wohnung verlassen und zur Untermiete in die Neue Kasseler Straße 13 zu der Familie Goldschmidt ziehen. Das Haus Bahnhofstraße 24 war "arisiert" worden. Jüdische Mieter wurden nicht mehr geduldet. Pauline Rothschild starb am 1. April 1941 kurz vor ihrem 88. Geburtstag. Kurz vor ihrem Tod und hochbetagt war sie aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen worden.

Minna Rothschild versuchte noch nach Kuba zu entkommen. Sicher wollte sie von dort zu ihrer Schwester Johanna Rothschild in die USA gelangen. Die NSDAP-Ortsgruppe Ortenberg bescheinigt ihr am 09.11.1941 entlarvend:

"Sie hat keine hervorstechenden Charaktereigenschaften. Jüdisches Gebahren (!), Leumund nicht ungünstig. Gegen eine Auswanderung bestehen keine Bedenken."

Der jeweiligen NSDAP-Ortsgruppe stand es zu, derartige "Beurteilungen" über Juden abzugeben, die einen "Auswanderungsantrag" gestellt hatten. Für Minna Rothschild gab es aber keine Rettung mehr. Am 08.12.1941 wurde sie nach Riga deportiert und ermordet.

Text: Barbara Wagner
Quelle: Barbara Händler-Lachmann/Thomas Werther, Vergessene Geschäfte verlorene Geschichte

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